Wie funktioniert das mit diesem Nachteilsausgleich?
TL;DR unten :)
Studierende mit Behinderung, chronischer und psychischer Erkrankung sowie Teilleistungsstörungen haben einen Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich (NTA) im Studium. Dieser wirkt bestehenden Barrieren entgegen und soll die chancengleiche Teilhabe verbessern.
So steht es jedenfalls im Merkblatt zum Nachteilsausgleich des KIT. Aber was genau heißt das, wieso interessiert uns das als Studierende mit Neurodivergenz und vor allem: Wie genau beantragt man das und wie sehen Beispiele aus?
Neurodivergenz. Krankheit, Behinderung??
In welche dieser Kategorien oder ob Neurodivergenz überhaupt in eine dieser Kategorien fällt ist schwierig zu sagen. Die Frage ist sehr vielschichtig, induziert schnell ableistische Kommentare oder wertet Menschen herab. Deswegen werden wir hier gar nicht versuchen sie zu klären.
Das ist auch für diesen Zweck völlig egal, denn viele Arten der Neurodivergenz rechtfertigen auf jeden Fall einen Nachteilsausgleich. Es lohnt sich also auf jeden Fall es zu versuchen, denn am Ende ist es eine Einschränkung, die auch Nachteile mit sich bringt. Diese Nachteile können und sollen ausgeglichen werden.
Was braucht es für einen Nachteilsausgleich?
Du brauchst:
- Ein:e Ärzt:in, die dir ein Attest ausstellen kann (z.B. Psychiaterin)
- Das entsprechende Attest
- Eine Art “Motivationsschreiben”, der der tatsächliche Antrag ist
Attest
Entgegen der allgemeinen Annahme braucht es für einen Nachteilsausgleich nichtmal eine Diagnose. Es ist lediglich notwendig, dass eine Ärzt:in bescheinigt, dass man die entsprechenden Ausgleiche nötig hat. Das kann auch ohne Diagnose der Fall sein. Wie so ein Schreiben aussehen kann seht ihr hier.
An dem Schreiben ist vor allem wichtig, dass genaue Ausgleichsmaßnahmen genannt werden (siehe letzter Abschnitt im PDF). Es sollte also da stehen “Sie benötigt eine Schreibzeitverlängerung um 30%” nicht “Sie benötigt mehr Zeit für Klausuren”. Wenn du nicht genau weißt wie viel Zeit du brauchst, red mit deiner Ärztin. 30% sind da schon eher das obere Drittel, es gibt aber auch Nachteilsausgleiche mit deutlich mehr. Es gibt da keine fest definierte Grenze und wenn du die entsprechenden Maßnahmen brauchst sollten sie auch genehmigt werden. Einige Beispiele sind im Merkblatt genannt.
Antrag
Wie genau der Antrag aussieht ist am besten durch ein Beispiel erklärt1. Vor allem muss in dem Antrag stehen was man warum haben will und wieso diese konkreten Maßnahmen einem helfen würden. Es geht dabei vielmehr darum das generelle zu begründen als die spezifischen Werte zu erklären. Man muss also nicht begründen wieso einem jetzt genau 30% Schreibzeitverlängerung helfen sondern wieso einem Schreibzeitverlängerung generell helfen würde.
Den Antrag stellen und Rückmeldung
Den Antrag stellst du dann mit Attest, Antragsschreiben selbst und ggf. Diagnose beim Prüfungsausschuss der jeweiligen Fakultät an der du studierst. Es lohnt sich (wie immer bei Amtssachen), sich eine schriftliche Eingangsbestätigung geben zu lassen.
Nach ein paar Wochen kommt dann Per Post der Bescheid über die Entscheidung des Prüfungsausschusses. Das ist entweder eine Ablehnung oder direkt der Nachteilsausgleich.
Häufig sind Nachteilsausgleiche befristet. Man muss die dann immer wieder neu beantragen. Warum genau das so ist und wann NTAs befristet werden und wann nicht ist unklar. Es hängt jedenfalls nicht unbedingt mit der jeweiligen Art der Benachteiligung zusammen2.
Weiterbeantragung
Wenn der NTA befristet ist muss er nach dem Ablauf der Frist (oder im Idealfall davor :D) weiterbeantragt werden.
Eine Verlängerung des Nachteilsausgleiches ist mit Vorlage eines aktuellen Attestes möglich.
steht auf dem NTA selbst. Man muss sich also ein neues Attest ausstellen lassen. Am einfachsten ist es natürlich, zu der Ärzt:in, die ursprünglich das Attest ausgestellt hat hin gehen und sich das Attest einfach mit neuem Datum erneut ausstellen zu lassen. Das ist n bisschen blöd und kostet jedes mal die Gebühr, die Ärzt:innen für Atteste verlangen. Dann reicht aber eine formlose E-Mail an den Prüfungsausschuss mit dem etwaigen Inhalt:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit möchte ich eine Verlängerung meines Nachteilsausgleiches beantragen.
Mein Name und meine Matrikelnummer lauten **<Vorname Nachname, Matrikelnummer>**.
Ein entsprechendes Attest sowie der bisherige Nachteilsausgleich
sind dieser E-Mail angehängt.
Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich
gerne jederzeit unter dieser E-Mail Adresse zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
**<Vorname Nachname>**
Man sollte dann dran denken auch actually die Dokumente anzuhängen ^^. Dann wartet man wieder und bekommt nach ein paar Wochen per Post Antwort.
Unter dem Semester
Unter dem Semester muss man dann den Prüfungsverantwortlichen Bescheid geben, dass man über einen Nachteilsausgleich verfügt. Dafür schickt man einfach den Nachteilsausgleich per Mail an die verantwortliche Person und schreibt kurz formlos zwei Zeilen dazu. Das macht man am Besten direkt am Anfang des Semesters, wenn man plant welche Prüfung man schreibt. Die Prüfungsverantwortlichen stellen dann sicher, dass die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden und organisieren beispielsweise einen eigenen Raum. Häufig ist es leider notwendig da nachzuhaken. Wenn man ein paar Tage vor der Klausur noch nichts gehört hat kann man da mal ne E-Mail schreiben. Normaleweise wird einem dann 2~3 Tage vor der Klausur der Raum genannt in dem man schreibt, falls das ein anderer als der übliche ist in dem alle schreiben.
TLDR
- Du hast es verdient, dass Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden!
- Man braucht als Person mit Neurodivergenz nicht unbedingt eine Diagnose für einen NTA
- Wie ein Attest aussehen kann sieht man hier.
- Es ist wichtig darin genaue Maßnahmen zu nennen
- Für den Antrag gibt es hier ein Beispiel. Das erklärt’s eigentlich.
- Man muss nicht genau die Werte begründen sondern eher generell darlegen wieso gewisse Maßnahmen sinnvoll sind
- Den Antrag stellt man an den Prüfungsausschuss der jeweiligen Fakultät. Die melden sich dann postalisch zurück.
- Am Semesteranfang schickt man den NTA an die jeweiligen Prüfungsverantwortlichen für die Prüfungen, die man schreiben will. Die organisieren dann die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen.
Wenn der Antrag unberechtigter Weise abgelehnt wird
In solchen Fällen kann man sich sehr gut an seine jeweilige Fachschaft, den Studiengangservice oder den AStA wenden. Beim AStA gibt es zum Beispiel das Chancengleichheisrefarat, die sehr sauer werden wenn Studierende diskriminiert werden. Die Fachschaften haben teils sehr direkte Kontakte zu den jeweiligen Prüfungsausschüssen und können dann direkt nachhaken.